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Kaum ein Begriff ist in der Uhrenbranche so berüchtigt wie die sogenannte Quarzkrise. Dieses Kapitel in der Geschichte der Armbanduhr war mehr als nur ein kleiner Kratzer im Zifferblatt der Horologie. Quarzwerke stießen einen strukturellen Wandel an, der bis heute anhält. Alle weitflächigen Bewegungen und Trends, die nach der Quarzkrise entstanden, sind in vielerlei Hinsicht eine direkte Reaktion auf diese. Doch was genau brachte die Uhrenindustrie eigentlich so aus dem Takt?


Die Uhrenindustrie vor der Quarzkrise


Vormarsch der Schweizer Uhren


In den 60er Jahren befand sich die deutsche und zeitgenössische Uhrenindustrie in ihrer Blütezeit. Die Schweiz profitierte aufgrund ihrer neutralen Haltung während des Zweiten Weltkrieges von einem klaren Vorsprung und konnte sich in der Uhrenbranche schon bald international einen Namen machen. Rolex, Breitling und Omega wurden zu Haus- und Hofmarken der Konzessionäre und in aller Welt verkauft. Dabei war insbesondere die Erschließung des amerikanischen Marktes entscheidend für ihren Erfolg.


Deutsche Uhrenhersteller rüsten nach


Aber auch Deutschland restrukturierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg schnell. Kleinere Industriestandorte wie Pforzheim und der Schwarzwald waren angeschlagen, festigten sich aber langsam wieder. Der Markt war groß genug, sodass sich viele kleinere Marken in der BRD spezialisieren und Monopole erarbeiten konnten: Junghans war für seine Chronometer bekannt, Hanhart wurde Ausrüster der Bundeswehr, Sinn begann mit Industrieuhren. In der DDR strukturierte man hingegen Glashütte, das für seine Maisons bekannt war, zu einer großen industriellen Produktion um, damit ein größerer Markt bedient werden konnte. Die Qualität konnte dabei auch beibehalten werden.


Japans Kampf um seinen Platz in der Uhrenbranche


Nach dem zweiten Weltkrieg lag auch Japans einst florierende Uhrenindustrie in Trümmern und musste sich neu aufbauen. Zwar gab es staatliche Produktionsziele für die oftmals kleinen, mittelständischen Manufakturen, aber da diese Betriebe nicht subventioniert werden konnten, blieben die Ziele oft unerreicht. Der 1949 von Joseph Dodge implementierte Dodge-Plan konnte Japan zunächst zwar aus der Inflation führen, schlug aber eine gestaffelte Warensteuer auf japanische Uhren, die die Industrie erneut weit zurückwarf.

Erst während des Koreakrieges 1950 erfuhr die japanische Wirtschaft einen klaren Aufschwung. Die Uhrenindustrie konnte modernste Maschinen aus der Schweiz importieren und viele Betriebe von Grund auf erneuern. Dementsprechend stieg die Produktion: Wurden 1946 noch ca. 700.000 Modelle produziert, konnte man 1961 bereits 1,7 Millionen Modelle verzeichnen. Auch in Sachen Know-How und der Forschung holte man in Japan schnell auf und konnte bereits 1955 die erste Automatikuhr produzieren. In den folgenden Jahren waren die Uhren von Seiko und Orient qualitativ auf demselben Level wie die Schweizer Uhren, jedoch ohne das gleiche weltweite Prestige zu genießen.


Das Rennen um die erste Quarzuhr


Der Vorgänger der Quarzuhr, die Accutron, wurde 1954 vom schweizerischen Ingenieur Max Hetzel für die amerikanische Firma Bulova entwickelt. Als Hamilton 1957 mit der Hamilton 500 eine weitere durch eine Batterie angetriebene Uhr auf den Markt brachte, arbeiteten das Centre Electronique Horloger in der Schweiz und Seiko in Japan bereits eifrig daran, dem Trend zu folgen.


Aufbau einer Quarzuhr


Bevor wir zur Geschichte zurückkehren, sollten Sie allerdings den groben Aufbau und die Funktionsweise einer Quarzuhr verstehen: Eine Quarzuhr arbeitet auf elektronischer oder elektronisch-mechanischer Basis und wird meistens von einer Batterie oder einem Akku angetrieben. Ein Schaltkreis bringt dabei die Quarzkristalle zum Vibrieren, welche die Schwingfrequenz der Uhr angeben. Bei der mechanischen Uhr wäre für diese Funktion die Unruh zuständig. Diese Schwingungen sind sehr gleichmäßig und mit standardmäßigen 32.768 Hz deutlich höher als bei mechanischen Uhren, was die phänomenale Präzision von Quarzuhren erklärt. Eine Quarzuhr verliert am Tag etwa 0,5 Sekunden, eine mechanische Uhr schon einmal bis zu 30 Sekunden.


Quarzwerk einer Rolex Uhr mit grauem Hintergrund
ROLEX QUARZWERK


Die erste Armbandquarzuhr


1964 führte Seiko in Tokyo seinen Crystal Chronometer QC-951 als offiziellen Zeitmesser vor. Dies ließ vermuten, dass Japan das Wettrennen gewinnen würde. War die QC-951 noch eine Taschenuhr, folgte 1969 mit der Seiko Astron – beworben mit dem Spruch “Eines Tages werden alle Uhren auf diese Weise angefertigt werden” – die erste Armbandquarzuhr.

1970 lancierte mit dem Ebauches SA Beta 21 Kaliber der erste schweizerische Versuch – und fand kaum öffentlichen Anklang. Anstatt in eine bessere Marketingstrategie zu investieren, beschloss die Schweizer Uhrenindustrie, das Projekt aufzugeben und komplett auf den traditionellen, mechanischen Weg zu setzen. Man fühlte sich aufgrund der Marktanteile und des hervorragenden Rufes entsprechend sicher.


Die Quarzkrise als Folge einer Misskalkulation


Die Quarzkrise war die Folge dieser Misskalkulation. Zwischen 1970 und 1983 sanken die Schweizer Uhrenbetriebe von 1.600 auf 600. Die Beschäftigung fiel dabei von 90.000 auf nur noch 28.000 Angestellte. Insbesondere kleinere Maisons und familiengeführte Unternehmen mussten reihenweise Konkurs anmelden.

Japanische und amerikanischen Firmen folgten hingegen der Quarzader und konnten so wichtige Marktanteile für sich gewinnen. Die USA war aufgrund der mikroelektronischen Forschung, die für die Raumfahrt gefördert wurde, Japan technologisch weit voraus. Firmen wie "Texas Instruments" und "Fairchild Semiconductor" gelang es, in Massenproduktion erschwingliche Uhren herzustellen, was einen Aufschwung der Uhrenindustrie in der USA zur Folge hatte.

1974 begann auch der japanische Computerhersteller Casio Quarzuhren zu produzieren und sollte sich schnell zu einer der erfolgreichsten japanischen Marken entwickeln. Auch Orient spezialisierte sich auf immer flacher werdende Uhren.


Hublot Classics 1581.1 Uhr mit grauem Hintergrund
HUBLOT CLASSICS 1581.1


Der Weg aus der Krise


Anfang der 1980er Jahre wurde auch den Uhrenherstellern in der Schweiz klar, dass sich etwas ändern musste. Die Rettung der Schweizer Uhrenindustrie wurde dabei insbesondere von zwei Männern geschultert: Ernst Thomke und Nicolas G. Hayek. Thomke wurde 1978 von der ASUAG (Allgemeine Schweizerische Uhrenindustrie AG), der zweitgrößten Uhrengruppe neben der SSIH (Société Suisse pour l'Industrie Horlogère), angeheuert, um die Produktion der Werke zu restrukturieren. Thomke beschloss, den Produktionsprozess zu vereinfachen, und führte alle Zulieferer zu einer neuen Firma, ETA SA, zusammen, welche bis heute für ihre Rohwerke bekannt ist. Er kürzte sowohl die Produktionskosten als auch die Angestelltenanzahl und begann, die Konversion zu Quarzwerken zu beschleunigen – mit großem Erfolg, wie sich bald herausstellen sollte.

Dennoch verlor die heimische Uhrenindustrie zunächst weiter an Marktanteilen und war auf die Hilfe der Schweizer Banken angewiesen. Diese beauftragten Nicolas G. Hayek, den Besitzer der bekanntesten Unternehmensberatung der Schweiz, einen Plan zu entwickeln, der die Marken retten sollte. Hayeks Lösung war der Zusammenschluss der ASUAG und SSIH zu einer gemeinsamen Gruppe und die Ausgliederung der Produktion der Werke zur Firma ETA. Die Marken selbst sollten sich auf Konzept, Design und Vermarktung konzentrieren. Die Marken stimmten zu und so fusionierten 1983 die zwei größten Schweizer Uhrengruppen zur Swatch Group SA – der inzwischen größten Uhrengruppe der Welt.

Zusammengeführt werden sollten Thomke und Hayek durch die Swatch – damals wie heute Flaggschiff der Swatch Group. Thomke hatte früh den Plan für ein Modell, das er unter dem Codenamen Delirium Vulgare entwickelte. ETA debütierte 1978 mit der Delirium, eine der flachsten Uhren überhaupt. Thomke plante, das dadurch gewonnene Ingenieurwissen in eine günstige, schnell produzierte Uhr zu investieren, die eine hohe Gewinnspanne abwerfen würde. An Stelle der Grundplatine sollte das Werk direkt auf den Gehäuseboden gebaut werden. Das Gehäuse selbst sollte aus Plastik sein. Das Problem: Thomke benötigte Investoren, aber die Banken verweigerten das Geld. Er stellte seine Idee also Hayek vor, mit dessen Hilfe er die Finanzierung sichern konnte. Die Swatch wurde wie das Unternehmen 1983 lanciert und gewann durch ihren erschwinglichen Preis, der großen Designauswahl sowie der neonfarbenen Armbänder an Popularität. Dies war der Erfolg, den die Schweiz benötigte.

Auch in Deutschland war die Quarzkrise verheerend. Die Uhrenindustrie im Schwarzwald, einst das Herz der deutschen Uhrenindustrie, wurde fast komplett ausgelöscht. In Pforzheim versuchte man sich nach Schweizer Vorbild ebenfalls zu einer Gruppe zusammenzuschließen, doch am Ende ging auch die dortige Uhrenindustrie bankrott. Auch die ehemaligen Monopolstellungen wurden aufgelöst, was viele Firmen vor finanzielle Probleme stellte. Andere Marken wie Kienzle oder Dugena schafften die erfolgreiche Umstellung auf die Quarzuhr und wurden zwei der bekanntesten deutschen Marken. Die deutsche Haute Horlogerie, die bis dahin in Glashütte ihre Heimat hatte, verschwand vollständig, als man dort begann, Massenprodukte wie den Meisteranker herzustellen, der in westdeutschen Katalogketten wie Quelle und Tchibo verkauft wurde.

Es sollte bis zur Wiedervereinigung dauern, bis Glashütte zu seinen Maisons zurückkehrte und Firmen wie A. Lange & Söhne, Glashütte Original oder Nomos Glashütte die Uhren deutscher Hersteller wieder international tragbar machten.


Die Folgen der Quarzkrise


Struktureller Wandel und neue Märkte


Die langfristigen Folgen der Quarzkrise sind allein schon daran zu erkennen, dass sich Quarzwerke mittlerweile etabliert haben und Hersteller wie Breitling, Omega oder TAG Heuer ausgewählte Modelle und Kollektionen auch in Quarz anbieten. Quarzuhren sind dabei inzwischen zu einem eigenständigen Geschäftszweig geworden, der simultan zu den mechanischen Uhren betrieben wird.

1993 präsentiertte Grand Seiko, Seikos Ableger für High-End Uhren, beispielsweise das 9F, ein handgefertigtes Werk und die bis dahin beste Verbindung aus Quarzantrieb und mechanischem Werk. Das Datum schaltete auf die Sekunde genau um, die Zeiger wurden verlängert und reichten nun bis zum Rand des Zifferblattes, was vorher nicht möglich war. Auch konnte es durch ein Präzisionsrad auf externe Faktoren wie Temperatur reagieren.

Während Thomke und Hayek die Quarzwerke begrüßten, fanden ihre Ideen in manchen Führungsabteilungen noch Widerstand. Jean-Claude Biver, Verfechter der mechanischen Uhren, kaufte 1983 die Namensrechte für Blancpain von Omega und belebte die Marke wieder, indem er exklusiv auf mechanische Werke setzte. Obwohl sich der Großteil des Marktes zu Quarzwerken bewegte, erkannte Biver, dass es eine treue Kundengruppe gab, die auch weiterhin die höheren Preise für mechanische Vintage-Uhren zahlen würden. Dies inspirierte Marken wie Patek Philippe, Rolex, Cartier, Vacheron Constantin und Audemars Piguet dazu, nachzuziehen und ebenfalls auf mechanische Werke zu setzen. Diese mechanische Revolution führte zu einem Vintage-Boom und bildete die Grundlage für den heutigen Luxusuhrenmarkt.


Goldene Vacheron Constantin Vintage 1009/39 Uhr mit schwarzem Hintergrund
VACHERON CONSTANTIN VINTAGE CAL. 1009/39


Doch selbst die “Big Five” mussten schnell feststellen, dass der asiatische Markt zu einem der wichtigsten Märkte für Luxusuhren geworden war. Auf dem ersten Platz der wichtigsten Märkte im Jahr 2018 thront in der Jahresübersicht des FH (Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie) beispielsweise Hong Kong mit 3 Millionen CHF und einem satten Anstieg von 19,1% im Vergleich zum Vorjahr. China und Japan folgten auf den Plätzen drei und vier. Die asiatischen Großmächte konnten sich auch als Produzenten etablieren. Zwar konnte sich die Schweiz ihre Spitzenposition wieder sichern, aber hat längst nicht mehr das Monopol, wie es früher einst der Fall war.